Der Weg ist das Ziel

Foto: Bojidara Kouzmanova – Vladar, Mönchhof, Dorfmuseum

„Es macht keinen Spaß, das mag ich nicht…“

Wie oft hören wir diesen Satz in der Schule, im Gespräch mit Freunden oder von unseren Kindern? Wenn ich ehrlich bin: ich höre ihn oft. Es ist auch legitim, dass man es sich leichter machen möchte und Spaßhaben will, daran ist nichts verkehrt. Lasst uns aber ein bisschen nachdenken, was Spaß ist. Womit verbinden wir Spaß? Ich gestehe, für mich heißt es schnelle, leichte, leichtherzige, lockere Stimmung. Zum Bespiel ein Feuerwerk ist schön anzusehen und bringt schnell gute Laune. Ein Eis (oder mehrere), Autodrom fahren, Achterbahn fahren … all das bringt für viele Menschen sofortige Befriedigung und Erfüllung der Wünsche.Es ist toll, man kann entspannen, lachen, einen tollen Tag verbringen! Oft endet aber der „Spaß“ abrupt, mit einem geschundenen Knie oder eintretender Müdigkeit. Natürlich macht man diese Dinge gern – mehrmals im Jahr begeben sich sämtliche Eltern auf Spaßsuche für ihre Kinder. Daran ist nichts auszusetzen. Doch ist das Feuerwerk mal abgeschossen, ist es am nächsten Tag auch schon wieder (fast) vergessen bzw. muss das nächste her.

Wirkliche, tiefe Freude hingegen, ist das Resultat von längerer Arbeit und kommt nicht leicht bzw. ist mit Geduld verbunden. Nun ist viel Arbeit und noch mehr Geduld nicht gerade die Lieblingsbeschäftigung der meisten Menschen. Doch das Gute an tiefer Freude ist, auch wenn sie lang braucht bis sie ankommt, ist sie beständiger als jeglicher kurzfristige Spaß. Weder Müdigkeit noch andere momentane Befindlichkeiten können sie beeinträchtigen. Nicht weil man nicht müde wird, sondern weil diese Freude tief im Inneren sitzt und nicht leicht zerstört werden kann. 

Wir können uns nicht an uns selbst erinnern, doch sehen es in unseren Kindern: beispielsweise wenn sie lernen zu gehen. Die Freude, wenn es endlich (nach dem 150. Versuch!) gelingt, die ersten Schritte zu machen – es ist unvergleichbar! Die Augen strahlen wie die hellsten Sterne. Diese erste wackelige Schritte sind pure Lebensfreude!

Geige zu spielen macht mir Freude. Weniger Spaß, zumindest selten. Wobei, Proben sind manchmal ein Spaß, Konzerte sogar auch, das Reisen (manchmal), die Kollegen (je nach dem, auch manchmal) – aber es macht mir Freude. Echte, tief empfundene, langanhaltende Freude! 

Es geht nicht um Stolz (den gibt es selten), nicht um Ruhm (der ist überhaupt sehr flüchtig), die Sache mit dem Geld für die Musiker ist auch eine andere Geschichte… Aber die Freude, etwas derart Großes und Tiefgründiges erlebt, empfunden und mitgestaltet zu haben, ist mit kaum etwas anderem zu vergleichen. 

Versteht mich bitte nicht falsch, es spricht nichts dagegen, wenn man auf dem Weg zur Freude auch Spaß hat 🙂 Dann haben wir den Lotto-6er gewonnen! Ich möchte aber dazu ermutigen, manchmal weiter zu gehen auf dem Weg zur Freude, auch wenn es gerade keinen Spaß macht. (Sprich: Musikunterricht, Instrument lernen, Sport betreiben, Sprache lernen …) Der Spaß kommt und geht, die Freude bleibt und der Weg zu ihrerzieht, macht stärker, formt den Charakter, festigt Prinzipien und konkretisiert Prioritäten und Ideale. 

Wir wollen alle glücklich sein, und das gilt natürlich auch für unsere Kinder – zeigen wir ihnen doch den Weg, wie man glücklich sein kann, auch wenn außen gerade nicht alles perfekt ist, auch wenn man gestresst ist oder Schwierigkeiten hat. Um glücklich zu sein, muss man es nicht leicht haben, man muss es sinnvoll haben. Das ist der Schlüssel zur erfolgreichen Bildung, zum Unterrichten, zum Erziehen. Man darf nicht das große Ziel aus den Augen verlieren. Und dieses Ziel ist nicht, ein problemfreies Leben zu haben, ohne Schwierigkeiten oder Herausforderungen, sondern sich diesen Herausforderungen zu stellen und sie zu meistern, daran zu wachsen und schlussendlich eine bessere Version von sich selbst zu werden. Das eigene Potenzial auszuschöpfen, allerdings, je mehr wir daraus schöpfen, desto mehr kommt wieder dazu an Erfahrung, Wissen und Können.

Geige spielen bringt einem das auf jeden Fall bei. Jahrelang übt man jeden Tag mehrere Stunden und das Resultat ist mal so, mal so. Es gibt so viel, das gelernt und umgesetzet werden muss, sodass man relativ lange braucht, um das alles unter einen Hut zu bringen. Aus eigener Erfahrung und aus der meiner Schüler*innen, weiß ich jedoch, dass es kaum was Schöneres gibt, als dass nach langem Üben und Arbeitenein Stück, eine gewisse Stelle oder eine Hürde endlich gelingt. Sowie bei Sportlern, die sich nach einem ganzen Jahr Training um 2 Sekunden pro Lauf verbessert haben. Für „normale“ Menschen ein Irrsinn – und doch auch wieder nicht. Die Erfahrung, für harte Arbeit, Einsatz und Geduld mit der Erreichung der selbst festgelegten Ziele belohnt zu werden, ist unbezahlbar und bleibt einem als Motivation auch dann, wenn die Lage nicht rosig ist. Das ist eine der besten Erkenntnisse, die wir unseren Kindern mitgeben können.

Oft werde ich gefragt: Wie kann man sich motivieren, um etwas Schweres zu lernen, dranzubleiben, nicht aufzugeben? Ich bin ja auch nur ein Mensch und würde immer wieder ebenfalls gerne so manches hinschmeißen, was keinen Spaß macht oder einfach zu mühsam ist. Sollte es aber dennoch sinnvoll sein, zahlt es sich aus, es nicht wegzuwerfen, sondern nach einer kurzen Pause, nach einem Eis 😉 oder einem Kaffee, oder sonst etwas, womit man abschalten kann, wieder weiterzumachen. 

 

Sagen wir es so: der Spaß ist der kleine Bruder der Freude, der uns den Weg etwas leichter, etwas angenehmer und kürzer macht, der uns hilft, nicht zu früh aufzugeben. Ein netter, lustiger Begleiter, der zur Stelle sein sollte, bevor wir alles hinschmeißen. Doch das Ziel ist die Freude, und die sammelt man auch unterwegs, es dauert nur etwas länger, bis man zu ihr durchdringt.

Das Gute ist doch, sie verpulvert nicht, sie bleibt uns und wird immer mehr. Vielleicht macht deshalb die Aussage „der Weg ist das Ziel“ wirklich Sinn – und sinnvolle Freude ist ein echtes, anhaltendes, tief empfundenes Glück.

Bojidara Kouzmanova – Vladar

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